You are here

SWP

Subscribe to SWP feed
Stiftung Wissenschaft und Politik
Updated: 1 month 3 weeks ago

Weltweit Gesundheitssysteme stärken

Thu, 17/12/2020 - 00:00

Im Rat der EU wird derzeit der Vorschlag einer Europäischen Gesundheitsunion dis­kutiert. Dabei ist vorgesehen, das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zu stärken und sein Mandat auszuweiten. Vor diesem Hintergrund können sich das ECDC und die EU-Mitgliedstaaten für eine neue Rolle des ECDC stark­machen. Während das politische Gewicht der Mitgliedstaaten nötig ist, kann das ECDC seine regionalen und bilateralen Partnerschaften ausbauen, um über entwicklungspolitische Projekte Gesundheitssystemstärkung zu fördern. Dadurch böte sich dem ECDC die Möglichkeit, einen entscheidenden Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung und zur Agenda 2030 zu leisten.

Foresight*: Global Competition for Health Care Workers from Africa

Wed, 16/12/2020 - 00:00

Pretoria, 12 February 2024: During a ceremony, the German Minister of Health and his South African counterpart sign the “Together We Care” agreement on the training and assignment to Germany of 20,000 South African nurses. “Together We Care” is part of a comprehensive cooperation agreement. Training centres for medical per­sonnel are to be set up in several South African cities. The agreement also contains commitments to support a vocational training system and the facilitation of visas. The event has received extensive media coverage and a predominantly positive recep­tion. The German weekly newspaper FAZ publishes a front page article with the head­line “Germany can hold its own in global competition”, and the weekly taz welcomes the agreement with an article entitled “Germany remains a country of immigration”.

Großbritannien: Gezielte Rüstungs­investitionen für weniger Abhängigkeit

Wed, 16/12/2020 - 00:00

In Großbritannien sind die Unsicherheiten über die Höhe der Steuerausfälle und der zu zahlenden Hilfen wegen des Brexits und der Covid-19-Pandemie groß. Dennoch er­hielt das britische Militär eine Zusage vom Finanzministerium über 4 Milliarden Pfund zusätzlich, jedes Jahr, für die nächsten vier Jahre. Das Vereinigte Königreich unterstreicht damit seine Bestrebungen nach sicherheitspolitischer Unabhängigkeit und will sich, insbesondere den USA gegenüber, als verlässlicher Partner erweisen. Es erkauft sich mit der Erfüllung des 2-Prozent-Ziels der Nato auch Freiheiten für seine »Global Britain«-Agenda. Großbritanniens Fokussierung auf eine weltweite Einsetzbarkeit seiner Kräfte und neue Technologien macht Streichungen an anderen Stellen wahrscheinlich. Die dann entstehenden (Fähigkeits-)Lücken müssten von Alliierten gefüllt werden.

Abschreckung und Verteidigung im Ostseeraum

Tue, 15/12/2020 - 00:00

Infolge der Krim-Annexion haben die Alliierten auf dem Nato-Gipfel 2014 in Wales eine Refokussierung auf Bündnisverteidigung beschlossen. Im maritimen Raum wird angestrebt, die gemeinsame Alliance Maritime Posture, also das maritime Dis­positiv der Nato-Staaten, zu stärken sowie deren maritime Aktivitäten und Zusammenarbeit besser zu koordinieren. Den Vorschlägen des maritimen Kom­mandos der Nato (MARCOM) zufolge sollen zukünftige Koordinationsmodelle vor allem regional ver­ortet und damit fokussierter gestaltet werden. Aktuelle Initiativen betreffen den Schwarzmeerraum und die Ostsee. Die Deutsche Marine ist aus drei Gründen prä­desti­niert, die Kooperation zwischen Alliierten und Partnern im Ostseeraum voranzutreiben: wegen ihrer regionalen Expertise in der Ostsee und an der Nordflanke, ihrer Be­deu­tung als größte Nato-Marine im Ostseeraum, ihrer Verlässlichkeit als Truppensteller für die stehenden maritimen Einsatzverbände der Nato. Das Bekenntnis der deutschen Regierung, innerhalb der Allianz mehr Verantwortung zu übernehmen, könnte auf diese Weise wahrnehmbar mit Inhalt gefüllt werden.

Covid-19 and the Securitization of National Crises in Israel’s Strategic Approach

Mon, 14/12/2020 - 00:00

Israel’s first response to the Covid-19 crisis demonstrated a security-based approach to a non-military national crisis. Faced with a first-of-its-kind non-military crisis of national magnitude, the government reactivated a pre-established, well-rehearsed policy protocol. It assigned the security community with the operational management of the crisis and responsibility over key strategic roles. Israel’s reliance on this commu­nity is an outcome of both the health system’s weakness as well as an overarching mind­set – shared by both the leadership and the public – that perceives the security commu­nity as the optimal manager of national crises. This approach curtails the development of civilian crisis capacities and enhances future dependency on the security community in national crises. It bears consequences on Israel’s performance in future civilian crises: first, on its ability to devise an optimal response, second on its level of readiness to con­front security threats during such crises, and third on public transparency.

China – Pandemiegewinner für den Moment

Mon, 14/12/2020 - 00:00

Ist es eine Ironie des Schicksals, dass die Corona-Pandemie, die Ende 2019 auf dem Tiermarkt von Wuhan wohl ihren Anfang nahm, Chinas Aufstieg nun einen mächtigen Schub verleiht? Als erste Zwischenbilanz ist jedenfalls festzuhalten, dass sich Pekings drakonische, teils inhumane Maßnahmen der Seuchenbekämpfung als äußerst erfolg­reich erwiesen haben. Die Eindämmung von Covid-19 in der Volksrepublik ermöglichte eine Rückkehr zur Normalität und legte den Grundstein für einen kräftigen Wirt­schaftsaufschwung. Die Führung von Partei und Staat nutzt diese Errungenschaften politisch im In- und Ausland. Chinas effektive Krisenbewältigung – epidemiologisch, ökonomisch, politisch – weist das Land am Jahresende 2020 als Krisengewinner aus. Doch ist fraglich, wie nachhaltig die wirtschaftlichen und politischen Erfolge sind.

Future Combat Air System: Too Big to Fail

Fri, 11/12/2020 - 00:00

Die Entwicklung des Future Combat Air System (FCAS) ist Europas bedeutendstes Rüstungsvorhaben. Sowohl technologisch als auch militärisch hat das Projekt das Potenzial, neue Standards zu setzen und den Einsatz von Luftstreitkräften zu revolutionieren. Politisch ist das multinationale Vorhaben ein Lackmustest dafür, in­wiefern Europa in der Lage ist, sicherheitspolitisch zusammenzuarbeiten, eigene Fähigkeiten zu entwickeln und zu diesem Zweck nationale Interessen in den Hintergrund zu stellen. Auf Berlin und Paris lastet besondere Verantwortung für den Erfolg des Projekts. Ihre unterschiedlichen Blickwinkel und Verfahren gefährden ihn jedoch – ein Scheitern hätte für alle Beteiligten gravierende Nachteile.

Die asiatische Freihandelszone RCEP

Thu, 10/12/2020 - 00:00

Der Abschluss der Verhandlungen zum Freihandelsabkommen »Regional Comprehensive Economic Partnership« (RCEP) am 15. November 2020 wurde vielfach als wich­tiger Schritt in der Entwicklung des internationalen Handelssystems gepriesen. Dass in dieser Zeit die größte Freihandelszone geschaffen wird, die die Welt je gesehen hat, ermöglicht es, Protektionismus nicht mehr als einzige Option für die Handelspolitik im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts zu sehen. Doch auch wenn RCEP die administrative Komplexität der Handelsabkommen in der Region reduziert, stellt es keinen großen Durchbruch hin zu einem liberalen Wirtschaftsraum dar. RCEP ist ein relativ schwaches Handelsabkommen. Es hat nicht das Potential, aus dem asiatisch-pazifischen Raum einen monolithischen Block in der internationalen Handelspolitik zu machen. Zudem leistet es keinen Beitrag zur Überwindung der wachsenden poli­tischen Spannungen in der indo-pazifischen Region.

 

Eine robustere Russlandpolitik für die EU

Thu, 10/12/2020 - 00:00

Seit der Krimannexion und dem Beginn des Kriegs in der Ostukraine im Frühjahr 2014 befindet sich die EU überwiegend im Modus des Krisenmanagements vis-à-vis Russland. In den letzten sechs Jahren hat sich erwiesen, dass die russi­schen Hand­lungen gegenüber der Ukraine keine einmalige Krisensituation bilden, sondern Aus­druck einer Politik sind, die Souveränität und territoriale Inte­grität anderer Staaten verletzt und keinen Kom­promiss mit westlichen Akteuren in der Nachbarschaft sucht. Damit verbunden ist ein Ansatz, der zum Ziel hat, die EU und viele ihrer Mitglied­staaten zu schwächen. Schließlich hat nicht nur der Fall Alexej Nawalnyj gezeigt, dass die russische Führung bereit ist, brutale Methoden anzuwenden, um die Entstehung einer tragfähigen poli­tischen Opposition zu ver­hindern. Die EU braucht eine Russlandpolitik, die in der Lage ist, mit einem solchen Russland effektiver umzugehen.

Turkey, the EU and the Eastern Mediterranean Crisis

Wed, 09/12/2020 - 00:10

The Eastern Mediterranean crisis reflects two overlapping developments. On the one hand, it is a manifestation of Turkey’s increasingly assertive posturing in the inter­national arena. At the same time, it shows the intensity of the geopolitical competi­tion between Turkey and its adversaries, such as Egypt and the UAE. The EU Member States’ different levels and forms of engagement with Turkey obstruct a consensus on how to coherently respond to these developments. With accession negotiations stalled and discussions focused on areas of conflict rather than cooperation, EU-Turkey relations are mired in stalemate, while the militarization of foreign policy is becoming increasingly prevalent in the EU’s southern neighbourhood.

US-Abzug aus Afghanistan: Das Dilemma der Nato

Wed, 09/12/2020 - 00:10

Wenige Wochen vor dem Ende seiner Amtszeit will US-Präsident Donald Trump Soldaten aus Afghanistan zurückholen. Seine Ankündigung, die Truppen bereits bis Mitte Januar auf 2500 Soldaten zu verkleinern, hat die Nato in Aufruhr versetzt. Denn zum einen hängen die Verbündeten am Hindukusch von amerikanischer Unterstützung ab, zum anderen hat ein überstürzter Rückzug – so schätzt es auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ein – Signalwirkung für die laufenden Friedensverhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban.

Die prinzipielle Dynamik des Afghanistan-Engagements der Allianz konnte auch das Treffen der Nato-Außenminister Anfang Dezember kaum verändern. Zwar betonten die Bündnispartner ihre Beteiligung an der Ausbildungsmission und Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte in ihrem Kampf gegen die Aufständischen. Stoltenberg machte bei der Gelegenheit aber deutlich, dass die Bündnispartner im nächsten Jahr vor einer Entscheidung ständen: ob sie in Afghanistan bleiben und riskieren, dass die Kämpfe fortgesetzt werden, oder ob sie das Land verlassen und riskieren, dass es wieder zu einem Rückzugs- und Rekrutierungsort für islamistische Terroristen wird. Damit trug er dem unübersehbaren Momentum in Richtung eines endgültigen Truppenabzugs vom Hindukusch Rechnung. Zugleich wies er die USA auf ihre Schlüsselstellung für den Zeitplan und die Modalitäten des Einsatzes hin.

Die skizzierte Entscheidung wollen die NATO-Verteidigungsminister im Februar treffen. Sie müssen dabei berücksichtigen, dass die Regierung Trump den Aufständischen bereits einen vollständigen Truppenabzug zum Ende April in Aussicht gestellt hat. Zwar hängt dies von den Verhandlungen in Doha ab und der ab dem 20. Januar amtierende Präsident Joe Biden ist an diese Zusage nicht gebunden, aber eine substantielle Aufstockung der US-Truppen ist angesichts der in den USA weit verbreiteten Afghanistan-Müdigkeit unrealistisch. Damit ist wahrscheinlich, dass der Nato-Einsatz im ersten Halbjahr 2021 beendet wird.

Die Sicherheit in Afghanistan ist im Interesse Deutschlands

Deutschland ist nun seit zwei Jahrzehnten militärisch in Afghanistan aktiv. Der Einsatz hat die Bundeswehr nachhaltig geprägt: Er steht heute sinnbildlich für das veränderte Aufgabenspektrum der Streitkräfte mit großformatigen Stabilisierungseinsätzen. Auch wenn viele Berliner Entscheidungsträger darüber erleichtert sein werden, dass der Einsatz endet, bleibt die dortige Sicherheitslage für Deutschland bedeutend. Drei Gründe sprechen für ein weiteres sicherheitspolitisches Engagement am Hindukusch:

Erstens der Terrorismus: Der afghanische Zweig des IS, der »Islamische Staat Khorasan«, ist an den Friedensverhandlungen nicht beteiligt und reklamiert zahlreiche Attentate für sich. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen befinden sich etwa 2200 IS-Kämpfer in Afghanistan. Dann ist da, zweitens, noch die Geopolitik: Als Nachbar verfolgt China eine Reihe sicherheitspolitischer Interessen in Afghanistan und betrachtet das Land als Austragungsort geopolitischer Rivalitäten mit dem Westen. Drittens verursacht die Sicherheitslage im Land Fluchtbewegungen. Weltweit sind rund 2,7 Millionen afghanische Flüchtlinge registriert. Afghanistan stellt im Jahr 2020 bislang die drittgrößte Zahl von Asylbewerbern in Deutschland.

Kurzfristig muss nun erst einmal der sichere Abzug der Bundeswehr geplant und eingeleitet werden. Es wird hier auf eine enge Abstimmung mit der Nato und der US-Armee ankommen, auf deren Fähigkeiten die deutschen Streitkräfte angewiesen sind. Der Deutsche Bundestag sollte für diesen letzten Akt des deutschen Einsatzes am Hindukusch ein neues Mandat beschließen. Das aktuelle läuft Ende März ab und wird den Besonderheiten des Abzuges nicht gerecht. Die Verantwortung für die Sicherheit des Landes wird dennoch mittel- bis langfristig zentrale Aufgabe deutscher Außenpolitik bleiben – selbst ohne die Nato-Mission.

Afghanistan steht am Scheideweg

Mittelfristig könnte Afghanistan Eckpfeiler einer neuen Sicherheitsarchitektur in der Region werden: Russland, Iran, Pakistan, Indien und China bemühen sich um Einfluss im Land. Dabei zeigen sie kein großes Interesse an »Nation Building«, sondern suchen pragmatische Lösungen zur Sicherung von Transitrouten für Energieträger und Handelsgüter sowie im Kampf gegen organisierte Kriminalität und länderübergreifenden Terrorismus. Es liegt auch im Interesse aller Regionalmächte, den Einfluss des IS einzudämmen. Eine relativ stabile Sicherheitslage würde zudem die Flüchtlingszahlen in der Region reduzieren.

Vor diesem Hintergrund wäre es ein Fehler westlicher Politik, diesen geopolitisch bedeutenden und daher umstrittenen Raum anderen Akteuren zu überlassen. Es ist nicht völlig auszuschließen, dass diese Mächte ihre Rivalitäten zum Nachteil Afghanistans in dessen Gebiet verlegen. Zudem steht für keinen dieser Staaten der Einsatz für Menschenrechte, Gleichberechtigung oder Rechtsstaatlichkeit im Mittelpunkt seiner Regionalpolitik – Anliegen, die westlicher Afghanistan-Politik immer wichtig gewesen sind. Die USA, Nato, EU und Deutschland haben ein Interesse an der politischen Stabilität des Landes – und daran, die in den vergangenen knapp zwanzig Jahren gemachten Fortschritte zu erhalten. Ein Abzug ohne eine sicherheitspolitische Bindung Kabuls an den »Westen« wäre eine vergebene Chance. Dass Afghanistan jüngst ein offizielles Partnerland der Nato geworden ist, weist in die richtige Richtung. Es sollte vor allem darum gehen, die erzielten militärischen Fortschritte weiter zu begleiten und beratend zur Verfügung zu stehen. Eine begrenzte Nato-Präsenz in Form von Beraterteams für die afghanische Regierung und die militärische Führung wäre ein deutliches Zeichen des kontinuierlichen Engagements.

The Haredim as a Challenge for the Jewish State

Wed, 09/12/2020 - 00:00

A culture war is being waged in Israel: over the identity of the state, its guiding principles, the relationship between religion and the state, and generally over the question of what it means to be Jewish in the “Jewish State”.

The Ultra-Orthodox community or Haredim are pitted against the rest of the Israeli population. The former has tripled in size from four to 12 per­cent of the total since 1980, and is projected to grow to over 20 percent by 2040. That projection has considerable consequences for the debate.

The worldview of the Haredim is often diametrically opposed to that of the majority of the population. They accept only the Torah and religious laws (halakha) as the basis of Jewish life and Jewish identity, are critical of democratic principles, rely on hierarchical social structures with rabbis at the apex, and are largely a-Zionist.

The Haredim nevertheless depend on the state and its institutions for safe­guarding their lifeworld. Their (growing) “community of learners” of Torah students, who are exempt from military service and refrain from paid work, has to be funded; and their education system (a central pillar of ultra-Orthodoxy) has to be protected from external interventions. These can only be achieved by participation in the democratic process.

Haredi parties are therefore caught between withdrawal and influence. Whilst protecting their community, they try to both combat tendencies that run counter to their conception of Jewishness as “defenders of the Jewish character of the state”, and to gain more importance within state and society for principles of religious law. This impetus to shape affairs is recent.

The Haredim are changing both state and society, and they in turn are changed by them. Responses from within the community to this fact range from calls for isolation to those for integration within the state to those for taking it over.

For Israel’s international partners, the Haredim’s growing influence will necessarily mean more negotiation, especially where liberal and emanci­patory issues are at stake.

Globale Impfstoffverteilung: Zu kleiner Kuchen, ungleiche Stücke

Tue, 08/12/2020 - 16:00

Candida Splett: Reiche Staaten sorgen über Abnahmegarantien und Vorkaufsrechte dafür, dass ihre Bevölkerungen zuerst geimpft werden. Damit ist ein großer Teil der absehbar vorhandenen Impfdosen bereits verteilt. Der selbst erhobene Anspruch, Impfstoffe global fair zu verteilen, läuft ins Leere. Wie erklären Sie sich das?

Maike Voss: Staaten müssen unterschiedliche Interessen balancieren. Der Schutz der eigenen Bevölkerung steht dabei an erster Stelle. Deutschland will außerdem dem deutschen Unternehmen BioNTech Gewinne sichern. Und dann geht es auch um die moralisch-rechtliche Selbstverpflichtung, den Impfstoff als globales Gut zu behandeln, das für alle Menschen weltweit und unabhängig von ihrer Kaufkraft zugänglich ist. Außenpolitisch hat man sich dafür stark gemacht. Innenpolitisch aber wird das nicht mitgetragen, da geht es vor allem um die eigene Bevölkerung.

Wieso kann man nicht genug Impfstoff für alle produzieren?

Das liegt daran, dass die traditionellen Verfahren in der Forschungsförderung, Produktentwicklung und im Patentsystem dafür sorgen, dass nur die Unternehmen, die den Impfstoff entwickeln, ihn auch produzieren bzw. am Ende vermarkten dürfen. Durch dieses System werden Produktion und Vertrieb künstlich begrenzt.

Wie können Staaten hier Abhilfe schaffen?

Costa Rica hat schon frühzeitig vorgeschlagen, einen von der WHO koordinierten, freiwilligen »Covid-19 Technology Access Pool« einzurichten. Dort würden Daten zu medizinischen Behandlungen und Impfstoffen gesammelt und geistige Eigentumsrechte gebündelt. Bisher wollen sich etwas mehr als 40 Länder beteiligen, das sind allerdings Länder mit eher niedrigem Einkommen und geringen Produktionskapazitäten. Damit das Verfahren funktioniert, müssten sich Pharmaunternehmen beteiligen, die freiwillig ihre Patente in den Pool geben, und möglichst viele Staaten mit großen Produktionskapazitäten. Dann könnten Impfstoffe, Medikamente und Diagnostika kostengünstig, in großem Umfang und schnell nachproduziert werden. Das wird wohl auf diesem Weg nicht klappen. Aber auch die Welthandelsorganisation könnte Abhilfe schaffen.

Wie sähe das aus?

Südafrika und Indien schlagen dort den vorübergehenden Verzicht auf bestimmte Verpflichtungen in den TRIPS-Abkommen zum Schutz des geistigen Eigentums vor. Ziel ist es, allen Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu geben, für den Zeitraum der Pandemie den Schutz des geistigen Eigentums für Covid-19-Impfstoffe auszusetzen und keine Patente dafür zu vergeben. So könnten Produkte nachproduziert und importiert werden, ohne Handelskonflikte zu riskieren. Jedoch muss dieser Vorstoß von einer Zweidrittelmehrheit der WTO-Staaten mitgetragen werden, die bisher nicht vorliegt. Immerhin haben einige Unternehmen signalisiert, individuell von ihrem Patentrecht zurückzutreten, damit andere Hersteller die Impfstoffe schnell nachbauen können. Die wichtigen Impfstoffhersteller in Deutschland und den USA sind aber nicht dabei.

Wie funktioniert die Impfstoffplattform COVAX zur gerechten Verteilung von Impfstoffen in der Theorie?

COVAX ist ein von der WHO, der Impfallianz Gavi und der Forschungsplattform CEPI koordinierter Verteilungsmechanismus, an dem sich momentan mehr als 180 Staaten beteiligen, womit rund 90 Prozent der Weltbevölkerung abgedeckt sind. Zunächst sollen dort alle Staaten Impfstoffe für drei Prozent, anschließend für zwanzig Prozent ihrer Bevölkerungen beziehen können.

Wird das in der Praxis funktionieren?

Nein. Viele Staaten haben sich, vor und während des Aufbaus von COVAX, schon direkt bei den Herstellern Impfstoffe gesichert und damit den Markt leergekauft. Daher sind sie an COVAX nur als Geber beteiligt, die für Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen Impfstoffe finanzieren. Aber weder reichen die bereitgestellten Gelder aus, noch gibt es genug Impfstoffe, die COVAX kaufen könnte. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Staaten selbst nicht über den Mechanismus beziehen und COVAX damit wenig Macht in den Preisverhandlungen mit den Herstellern hat. Insofern unterwandern die reichen Staaten COVAX, auch wenn sie zahlen – preisen aber paradoxerweise gleichzeitig die Idee des Impfstoffs als globales öffentliches Gut.

Was können Deutschland und andere reiche Staaten jetzt noch tun, damit COVAX ins Rollen kommt?

Die meisten Staaten haben ja viel mehr Impfstoffdosen reserviert, als ihre Bevölkerungen brauchen. Daher könnten sie zehn bis zwanzig Prozent davon – Frankreich hat das schon angekündigt – an COVAX abgeben. Das wird wahrscheinlich passieren, schon allein aus Gründen der Gesichtswahrung. Das ideale, aber unrealistische Szenario ist, dass Deutschland und weitere Staaten, etwa die G7, sich darauf einigen, die gesamten vorab gesicherten Impfstoffdosen an COVAX abzugeben und selbst auch darüber zu beziehen. Außenpolitisch wäre das ideal, aber innenpolitisch nicht zu verkaufen. Da ist in Deutschland schon die Erwartung geweckt worden, dass der Impfstoff im Dezember kommt. Die muss jetzt erfüllt werden.

Wie kann man diese kommunikative Diskrepanz zwischen Innen- und Außenpolitik verringern?

Wenn Deutschland einen Anteil seiner reservierten Dosen an COVAX abgibt, ist es wichtig, das gut zu kommunizieren: Es sollte betont werden, dass damit an erster Stelle Gesundheitsfachkräfte geimpft werden, wie es die WHO empfiehlt. Deutschland könnte sich außerdem dafür einsetzen, dass die humanitären Kontingente in COVAX befüllt werden, die für Menschen in Krisen- und Fluchtsituationen gedacht sind. Auch bilateral kann man für solche Kontingente sorgen. Und schließlich kann Berlin entwicklungspolitisch zur Verbesserung der Sicherheit und Logistik der Lieferketten von Impfstoffen, Medikamenten und diagnostischen Tests beitragen. Ein Impfstoff wird bald das rarste Gut auf der Welt sein. Wir werden viel über Arzneimittelkriminalität, auch über Angriffe auf Impfstoffkonvois hören. Dass man hier gegensteuern muss, wird die Mehrheit der Deutschen verstehen.

Nächste Woche erscheint die SWP-Studie »Internationale Politik unter Pandemiebedingungen: Tendenzen und Perspektiven für 2021«, die u.a. einen Beitrag von Maike Voss mit zwei Szenarien zur Impfstoffverteilung enthält.

Das Interview führte Candida Splett von der Online-Redaktion der SWP.

A New Beginning with President Biden

Tue, 08/12/2020 - 00:00

Although Joseph Biden has now been elected 46th president of the United States, transatlantic relations do not automatically revert to their pre-2017 status quo. Too much has changed in the international sphere, too central has great power competition become to the international order. Europe will have to be much more clear than in the past about what it expects from Washington – and what it is prepared to contribute. Berlin and Brussels should work toward a new transatlantic agenda with the Biden administration, with five priorities including joint action against political disinformation and a transatlantic vaccine alliance.

Ankara traut der EU keine Sanktionen zu

Tue, 08/12/2020 - 00:00

Die Anrainerstaaten des östlichen Mittelmeers blicken mit Spannung auf die nächste Sitzung des Europäischen Rates am 10. Dezember 2020. Auf seiner Zusammenkunft am 1. Oktober 2020 hatte sich das Gremium selbst unter Druck gesetzt und angekündigt, im Dezember über die zukünftige Politik der Europäischen Union gegenüber der Türkei zu bestimmen. Entweder, so der Rat in seinen Schlussfolgerungen vom Okto­ber, wird die EU der Türkei eine positive politische Agenda anbieten, die eine Vertie­fung und Modernisierung der Zollunion, Erleichterungen bei der Erteilung von Visa für türkische Staatsbürger und erhöhte Zahlungen im Rahmen der Flüchtlingskooperation vorsieht. Oder die EU wird »alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente und Optionen nutzen […], um ihre Interessen und die Interessen ihrer Mitgliedstaaten zu verteidigen« – ein klarer Hinweis auf Sanktionen. Der Brüsseler Beschluss zeigt in Ankara bisher keine Wirkung. Die EU wird zu härteren Maßnahmen greifen müssen.

Problematic Prospects for US‑Turkish Ties in the Biden Era

Mon, 07/12/2020 - 00:00

Minimal discussion of foreign policy during the US presidential campaign has left President-elect Joe Biden pinned to very few specific foreign policy positions and given him great flexibility in carrying out his program. He would probably prefer to avoid confrontation with Turkey; in fact, he will likely explore areas of potential US‑Turkish cooperation, especially against Russia. However, Biden’s core positions on human rights and rule of law, his long-time focus on Aegean and Eastern Mediter­ranean issues, and his seeming inclination to continue to fight ISIS in cooperation with the Syrian-Kurdish People’s Protection Units (YPG) militia – deemed “terrorists” by Ankara – probably augur deepening difficulties in US-Turkish ties. Down the line, a make-or-break decision on the future of US-Turkish ties will likely hinge on the Biden Administration’s assessment of Turkish-Russian relations. Europe may have an important say on Biden’s Turkish policy; a senior Biden adviser has said the new president will coordinate his approach to Turkey with the European Union.

Höchste Zeit, die militärischen Risiken in Europa einzudämmen

Mon, 07/12/2020 - 00:00

Unter der Trump-Administration hat sich die Erosion der Rüstungskontrolle beschleunigt. Die USA haben sich aus dem Atomabkommen mit dem Iran (JCPOA), dem bilateralen Vertrag über das Verbot landgestützter Mittelstreckenraketen (INF) und aus dem multilateralen OpenSkies-Vertrag zurückgezogen. Trump zögert auch, den New-START-Vertrag über die Begrenzung strategischer Systeme und Atomwaffen zu verlängern.

Aus Sorge um die weitere Erosion der strategischen Stabilität hat sich sein Nachfolger Biden dazu bekannt, den New-START-Vertrag um fünf Jahre zu verlängern. Dafür bleiben ihm nach seinem Amtsantritt zwar nur zwei Wochen, bevor der Vertrag außer Kraft tritt. Die Verlängerung bedarf aber keiner weiteren Ratifikation durch den US-Senat. Auch Russland steht einer Verlängerung positiv gegenüber.

Bei der Verhandlung eines Nachfolgevertrags ist Bidens Handlungsspielraum begrenzt. Zur Ratifikation braucht er eine Zweidrittelmehrheit im Senat. Angesichts parteiübergreifender Interessen dürften ihm Kompromisse aber nicht schwerfallen. Dabei geht es nicht nur um Russland. Wie Trump wird auch er den aufstrebenden Rivalen China auffordern, sein Atomarsenal der Rüstungskontrolle zu unterwerfen.

Große militärische Risiken resultieren auch aus der Lage in Europa. Dies betrifft nicht nur die Konfliktgebiete in der Ukraine und in Berg-Karabach. Die Beziehungen zwischen der Nato und Russland haben ihren tiefsten Punkt seit dem Ende des Kalten Krieges erreicht. Vor allem in der Ostseeregion, im Schwarzmeerraum und im Hohen Norden haben sich ihre militärischen Aktivitäten seit 2014 vervielfacht. Ihre Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge treffen heute manchmal gefährlich nah aufeinander, ihre Bodentruppen stehen sich im Baltikum gegenüber.

Gleichzeitig erodiert die Architektur der Rüstungskontrolle und Vertrauensbildenden Vereinbarungen, die am Ende des Kalten Krieges erarbeitet wurde. Der Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE), sein Anpassungsabkommen und das Wiener Dokument zur militärischen Vertrauensbildung zwischen OSZE-Mitgliedstaaten haben entweder ihre Relevanz verloren oder sind unzureichend, um die heutigen militärischen Risiken einzuhegen. Zudem kommunizieren die Nato und Russland nicht miteinander wie sie sollten. Es besteht die Gefahr, dass ein militärischer Zwischenfall oder eine Fehleinschätzung zu einem unbeabsichtigten bewaffneten Konflikt führen könnten. Da keine Seite dies will, sollten sie kooperieren, um das Risiko einer Konfrontation zu senken.

Konfliktprävention durch Dialog und Kooperation

Zu diesem Zweck wären folgende konkrete Schritte zu erwägen:

(1) Die Nato und Russland sollten den militärischen Dialog der höchsten Kommandoebenen und den regelmäßigen fachlichen Austausch der Sicherheitsexperten wiederaufnehmen, um die jeweiligen Aktivitäten und Doktrinen besser zu verstehen und Fehldeutungen zu vermeiden.

(2) Bisherige Vereinbarungen zur Verhinderung gefährlicher militärischer Aktivitäten sollten ergänzt und aktualisiert werden. Einheiten, die in Grenznähe operieren, müssen mit besonderer Vorsicht agieren. Ständige Verbindungen zwischen beiden Seiten sollten für den Fall eingerichtet werden, dass militärische Bewegungen einer Seite der anderen bedrohlich erscheinen.

(3) Das Wiener Dokument sollte modifiziert werden, um die Transparenz militärischer Übungen zu steigern. Alle beteiligten Truppen müssen in vollem Umfang erfasst und die Schwellenwerte für ihre Notifizierung und Beobachtung gesenkt werden.

(4) »Stille« Vorausinformationen wären geeignet, um Fehldeutungen russischer Alarmübungen zu vermeiden. Sie wären nur an die höchsten militärischen Befehlshaber zu richten, ohne dass die involvierten Truppen vorab gewarnt werden. Auch die Nato könnte Russland vertraulich über unangekündigte Bewegungen multinationaler Verbände informieren.

(5) Für die Nato-Russland Berührungszonen sollten regionale Stabilisierungsmaßnahmen vereinbart werden. Dazu sind beiderseitige Begrenzungen einer weiteren permanenten Stationierung substantieller Kampftruppen geeignet, die schon die Nato-Russland-Grundakte von 1997 vorsieht. Was das bedeutet, muss konkretisiert werden. Eine Einigung auf eine Heeresbrigade und eine Kampfflugzeuggruppe pro Land oder Militärbezirk wäre angemessen.

(6) Größere militärische Bewegungen und Übungen, die in diesen Zonen stattfinden, sollten strikten Informations- und Verifikationsregimen unterworfen werden. Allerdings muss die legitime individuelle und kollektive Verteidigung gewährleistet bleiben und eine Isolierung einzelner Regionen oder Länder vermieden werden.

(7) Der Vertrag über den Offenen Himmel erhöht die Transparenz durch kooperative Beobachtungflüge und schafft gerade in der Krise ein Mindestmaß an Berechenbarkeit und Vertrauen. Durch den Rückzug der USA wurde er geschwächt. Russland und andere europäische Vertragsstaaten sollten an ihm festhalten.

(8) Auch bei der Stationierung und Bewegung neuerer Waffensysteme in Europa sollten sich die Nato und Russland Transparenz und Zurückhaltung zusichern. Dies gilt vor allem für land-, see- oder luftgestützte Marschflugkörper und weitreichende Kampfdrohnen.

(9) Zudem sollten beide Seiten die Gespräche über die Raketenabwehr wiederaufnehmen. Sie könnten jährliche Informationsaustausche über derzeitige und geplante Abwehrsysteme in Europa erwägen, um Transparenz und Vertrauen zu stärken.

Diese Vorschläge zielen nicht darauf ab, dass die Allianz gegenüber Russland zur Tagesordnung zurückkehrt, ohne dass die fundamentalen politischen Probleme gelöst werden, die beide Seiten trennen. Sie dienen vielmehr dazu, eine Eskalation zu vermeiden und die Sicherheit in Europa zu stärken. Werden sie realisiert, so können sie allerdings dazu beitragen, eine positivere Atmosphäre zu schaffen, in der auch die tieferliegenden Ursachen der europäischen Sicherheitskrise erörtert werden können.

Um eine weitere Eskalation der politischen und militärischen Spannungen zwischen der Nato und Russland zu verhindern, hat eine Gruppe von 40 hochrangigen Militär- und Sicherheitsexperten aus Europa, Russland und den USA Empfehlungen formuliert. Viele der US-Teilnehmer stehen dem Biden-Team nahe. Die Empfehlungen werden von mehr als 140 Sicherheitsfachleuten unterstützt, unter ihnen 16 frühere Außen- und Verteidigungsminister sowie mehr als 50 Generäle, Admirale und hochrangige Diplomaten außer Dienst. Der Autor hat daran mitgearbeitet.

Moldovan Presidential Elections Driven by Insecurity Not Geopolitics

Fri, 04/12/2020 - 00:00

World media have hailed the victory of Maia Sandu in the Moldovan presidential elec­tions on 15 November. They celebrated it as a triumph of democracy and pro-Western preferences over post-Soviet cronyism, authoritarianism and Russian apologists. The reality is more complex while there are few reasons for optimism. Sandu’s victory is a fragile one as the conditions that delivered it were temporary only. However, she may have unwittingly discovered how to attract voters who traditionally preferred Russia-backed candidates. The EU would benefit by learning from this accidental solution, which is of value regionwide, and deriving from it a thought-out strategy to more effectively support and protect genuine democratic transformation in Moldova and the post-Soviet area.

Cyber Escalation

Fri, 04/12/2020 - 00:00

Pages