Die Arktis und der arktisch-nordatlantische Raum gewinnen aufgrund der besseren Zugänglichkeit arktischer Seewege und Ressourcen an geopolitischer Relevanz. Deutschland sollte sich in diesem Raum stärker politisch, militärisch und wirtschaftlich einbringen. Erforderlich für eine erfolgreiche deutsche Arktispolitik sind eine engere Zusammenarbeit mit Arktisstaaten und Partnern in der EU und der Nato, eine stärkere sicherheitspolitische Einbindung Deutschlands und eine bessere Verzahnung von zivilen und militärischen Kapazitäten. Der arktisch-nordatlantische Raum ist als Einheit zu begreifen und im Kontext der Sicherheit Europas zu betrachten. Für Deutschland folgt daraus, dass es sich aktiv an der Stabilisierung dieses Raums beteiligen und zur Bewahrung der fragilen Balance in der Arktis beitragen sollte. Eine deutsche Arktisstrategie sollte Prinzipien wie eine regelbasierte Ordnung und Multilateralismus nicht nur bekräftigen, sondern sie auch mit klar definierten politischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Instrumenten zu schützen versuchen. Langfristig sollte eine deutsche Arktisstrategie über die Leitlinien von 2024 hinausgehen und konkrete Schritte zur Wahrung deutscher Interessen in der Region festlegen. Deutschland muss eine Strategie entwickeln, die klare Prioritäten setzt, politische und sicherheitspolitische Maßnahmen definiert, Ressourcen mobilisiert und insgesamt Handlungsfähigkeit generiert und ausstrahlt. Deutschland sollte seine neue Arktispolitik konsequenter in eine europäische Gesamtpolitik einbinden. Durch enge Abstimmung mit der EU‑Außen- und Sicherheitspolitik und eine aktive Mitgestaltung der EU‑Arktisstrategie kann Deutschland seine Interessen wirksamer vertreten und zugleich zur Handlungsfähigkeit Europas in der Region beitragen.
The European security order is dysfunctional and particularly affected by the crisis of multilateralism. The Organisation for Security and Co-operation in Europe (OSCE), founded as a forum for promoting co-operative security and standards-based co-operation, today is an expression of the weakness of traditional multilateral institutions. The reporting system in the politico-military dimension of the OSCE is a seismograph for the change in norms and dynamics among participating States. However, it also shows that despite the changes at the political-strategic level and the politicization of the official agenda, the implementation of agreements at the technical-military level of the OSCE continues quite smoothly. This presents opportunities but also risks that the 57 participating States should be aware of.
Die Friedensmissionen der Vereinten Nationen (UN) stehen politisch und finanziell unter Druck. In seinem Schreiben vom 10. Oktober 2025 hat UN-Generalsekretär António Guterres neun Missionen aufgefordert, Notfallpläne für Ausgabenkürzungen von bis zu 25 Prozent vorzubereiten. Die bereits 1964 geschaffene Friedensmission in Zypern (UNFICYP) zeigt, warum Europa ein fundamentales Interesse daran hat, dass die UN weiter engagiert bleiben.
Der Konflikt zwischen der Republik Zypern im griechischsprachigen Süden und der nur von Ankara anerkannten Türkischen Republik Nordzypern, dem türkischsprachigen Teil, ist seit der de facto Teilung der Insel weitgehend eingefroren. Daran hat UNFICYP einen konkreten Anteil. Seit dem Waffenstillstand von 1974 kontrolliert die Mission die sogenannte »Green Line«, einen 180 Kilometer langen Streifen, der die beiden Teile voneinander trennt und direkte Konfrontationen verhindern soll.
Dennoch verzeichnet die Mission weiter zahlreiche militärische und zivile Verstöße in und entlang der Pufferzone. Sie verhindert also immer noch, »dass solche Funken in Flammen aufgehen«, wie Colin Stewart, bis August 2025 der Leiter von UNFICYP, es ausdrückte. Denn bis heute gibt es keinen direkten militärischen Kontaktpunkt zwischen den Konfliktparteien. Zuletzt hat die Bedrohungswahrnehmung auf beiden Seiten sogar wieder zugenommen.
Neuer Anlauf für FriedensbemühungenAn einer weiteren Reduzierung oder gar einem Abzug der Mission können die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten schon deshalb kein Interesse haben. Gerade läuft der politische Prozess zaghaft wieder an. María Angela Holguín Cuéllar wurde im Mai 2025 erneut zur Persönlichen Gesandten des Generalsekretärs ernannt. Sie soll Möglichkeiten für die Aufnahme formaler Verhandlungen ausloten und die festgefahrene Situation in Bewegung bringen.
Das ist ein schwieriges Unterfangen. Während der UN-Sicherheitsrat weiterhin eine föderale Lösung verfolgt, pochen Nordzypern und die Türkei seit Jahren auf eine Zweistaatenlösung. Die Wahl des nordzypriotischen Präsidenten Tufan Erhürman im Oktober hat jedoch die Hoffnung geweckt, dass sich die Tür für echte Verhandlungen unter UN-Ägide wieder öffnen könnte. Gerade gab es das erste Dreiertreffen zwischen ihm, dem Präsidenten der Republik Zypern und Holguín. Doch eine Annäherung dürfte Zeit brauchen. So bleiben vertrauensbildende Maßnahmen und die Absicherung des Friedens durch die UN essentiell.
Rolle der UN unverzichtbarDa die Republik Zypern Mitglied der EU ist, kann die Union selbst kaum als unparteiische Vermittlerin agieren. Sie unterstützt daher vorrangig den UN-geführten politischen Prozess. Auch sicherheitspolitisch hat die EU wenig Spielraum. Eine eigene EU-Mission, wie sie im Libanon aufgrund des Abzugs von UNIFIL angedacht ist, wäre unrealistisch – schon allein ob des angespannten Verhältnisses zwischen Griechenland und der Türkei, die beide neben Großbritannien Garantiemächte Zyperns sind.
Daher bleibt die stabilisierende Funktion der UN-Mission absehbar unerlässlich. Sie schafft auch den Rahmen für praktische Annäherungsinitiativen wie die Projekte der Technischen Komitees. Diese fördern unter gemeinsamer griechisch-zypriotischer und türkisch-zypriotischer Leitung und unter Schirmherrschaft der UN die Verständigung zwischen den beiden Gemeinschaften. Die Finanzierung erfolgt zu einem großen Teil durch die EU.
UNFICYP steht finanziell besser da als viele größere UN-Einsätze, da Griechenland und die Republik Zypern etwa die Hälfte des Budgets tragen. Doch werden personelle und operative Einsparungen notwendig sein. Gleichzeitig wird die Existenzberechtigung der seit Jahrzehnten laufenden Mission immer mal wieder infrage gestellt. Ende Januar 2026 steht erneut eine Verlängerung des Mandats an. Die Haltung des UN-Sicherheitsrates ist trotz aller Kritik der türkischen und der früheren nordzypriotischen Führungen bislang unverändert geblieben.
Um die festgefahrenen Positionen für Verhandlungen aufzubrechen, wird es jedoch mehr wirtschaftliches Engagement von europäischer Seite brauchen, das die Lage im Norden verbessert. Kurzfristig aber sollten die Mitgliedstaaten der EU keinen Zweifel daran lassen, dass nicht nur UNFICYP, sondern das Instrument der UN-Friedensmissionen insgesamt unentbehrlich ist.
Die europäische Sicherheitsordnung ist dysfunktional und in besonderem Maße von der Krise des Multilateralismus betroffen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), gegründet als Forum zur Förderung kooperativer Sicherheit und normenbasierter Zusammenarbeit, ist heute Ausdruck der Schwäche klassischer multilateraler Institutionen. Das Berichtswesen im politisch-militärischen Bereich der OSZE ist ein Seismograph für den Wandel von Normen und Dynamiken in der Staatengemeinschaft. Es zeigt aber auch, dass trotz der Veränderungen auf der politisch-strategischen Ebene und einer Politisierung der offiziellen Agenda die Implementierung von Vereinbarungen auf der technisch-militärischen Ebene der OSZE relativ geräuschlos weiterläuft. Das birgt Chancen, aber auch Risiken, die den 57 teilnehmenden Staaten bewusst sein sollten.