Das Bundeskabinett hat sich heute auf ein stabiles Rentenniveau bis 2031 und eine Ausweitung der Mütterrente geeinigt. Dazu eine Einschätzung von Rentenexperte Johannes Geyer, stellvertretender Leiter der Abteilung Staat im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin):
Die Haltelinie von 48 Prozent beim Rentenniveau zu sichern, ist angesichts niedriger Renten und wenig verbreiteter privater Vorsorge ein richtiges Signal. Ab 2029 erfordert dieses Ziel jedoch erhebliche zusätzliche Steuermittel. Auch die Ausweitung der Mütterrente bindet langfristig sehr viel Geld. Die Rentenkassen selbst sollen dadurch zunächst nicht zusätzlich belastet werden, aber die Abhängigkeit vom Bundeshaushalt wächst. Da die Babyboomer in den kommenden Jahren in Rente gehen, steigen die Ausgaben der Rentenversicherung ohnehin deutlich. Den steigenden Steuerzuschuss zu finanzieren, wird eine große Herausforderung sein. Wer eine Anhebung des Renteneintrittsalters vermeiden will, muss die Erwerbstätigkeit steigern – etwa durch mehr qualifizierte Zuwanderung, eine höhere Frauenerwerbstätigkeit, mehr ältere Erwerbstätige und bessere Bildung. Die heutigen Beschlüsse des Bundeskabinetts zur Haltelinie beim Rentenniveau und Ausweitung der Mütterrente können daher nur ein erster Schritt sein. Langfristig sollte das Drei-Säulen-Modell der Altersvorsorge gestärkt und ein klares Sicherungsziel definiert werden, damit im Alter nicht allein auf die gesetzliche Rente gesetzt werden muss.
Die Abteilung Kriminalität, Arbeit und Ungleichheit des DIW Berlin forscht und analysiert die Auswirkungen von Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftspolitik auf Entscheidungen und Verhalten von Personen und Haushalten. Sie beschäftigt sich insbesondere mit Aspekten, die mit wirtschaftlichen Ursachen von Kriminalität und deren Auswirkungen in Zusammenhang stehen, und erforscht potenzielle Wechselwirkungen zwischen Kriminalität einerseits und Chancengleichheit und Verteilungsfragen andererseits. Im Mittelpunkt stehen dabei mikro-ökonomisch fundierte, empirische Forschungsarbeiten, die zu einem evidenz-basierten Diskurs beitragen.
Dafür sucht die Abteilung ab dem 1.11.2025 eine*n
Postdoc (w/m/div) (Vollzeit mit 39 Stunden pro Woche, Teilzeit ist möglich)
Die Stelle dient der wissenschaftlichen Qualifizierung im Sinne des § 2 Absatz 1 Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG).
Hinweis: Gegenüber der ursprünglichen Version des Statements musste folgender Satz korrigiert werden (frühere Version in Klammern): "Zwar sind im aktuellen Haushaltsentwurf 37 (statt zuvor: 36) Milliarden Euro für dieses Jahr und über 55 Milliarden Euro für 2026 (statt zuvor: 2025) vorgesehen, doch die Erfahrung zeigt, dass das sehr ambitioniert ist." Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
Das Statistische Bundesamt hat heute bekannt gegeben, dass das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im zweiten Quartal 2025 um 0,1 Prozent gegenüber dem ersten Quartal gesunken ist. Dazu eine Einschätzung von Geraldine Dany-Knedlik, Konjunkturchefin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin):
Die deutsche Wirtschaft hat nach starkem Jahresauftakt leicht an Tempo verloren, der Aufschwung ist damit aber nicht abgeblasen. Jetzt ist Geduld gefragt. Produktion und Geschäftsklima im Verarbeitenden Gewerbe entwickeln sich positiv. Auch die Einigung im Zollstreit zwischen der EU und den USA sorgt für mehr Planungssicherheit, wenngleich – nach allem, was man bisher weiß – keine Entlastung bei den Zöllen zu erwarten ist. Im Gegenteil, die Belastungen werden wohl leicht steigen. Einen entscheidenden Beitrag zu einem stärkeren Aufschwung werden die geplanten Investitionen aus dem Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz leisten. Zwar sind im aktuellen Haushaltsentwurf 37 Milliarden Euro für dieses Jahr und über 55 Milliarden Euro für 2026 vorgesehen, doch die Erfahrung zeigt, dass das sehr ambitioniert ist. Es wäre schon eine Erfolgsgeschichte, wenn die Hälfte der geplanten Mittel abfließen würde. Die Umsetzung der Projekte braucht Zeit. Planung, Vergabe und Umsetzungsphase verzögern die Wirkung, sodass spürbare Impulse erst ab 2026 zu erwarten sind.
US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen haben sich gestern auf einen Handelsdeal geeinigt. Dazu eine Einschätzung von Ruben Staffa, Außenhandelsexperte und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Makroökonomie im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin):
Ein Handelskrieg zwischen den USA und der EU konnte abgewendet werden. Das ist angesichts der vorherigen Drohgebärden von US-Präsident Trump erstmal eine gute Nachricht. Doch die Einigung hat es in sich: 15 Prozent Einfuhrzölle auf europäische Warenausfuhren in die USA bedeuten knapp eine Verzehnfachung der durchschnittlichen Zölle, die vor Trumps zweiter Amtszeit galten. Hinzu kommen Zusagen Europas, im dreistelligen Milliardenbereich fossile Brennstoffe und Militärausrüstung in den USA einzukaufen. Hoffnungsvoll stimmt, dass für einige ausgewählte Gütergruppen gegenseitig keine Zölle erhoben werden sollen, darunter Halbleiterprodukte, die die USA dringend für die Chip-Herstellung benötigen. Vielleicht kommen auf diese Ausnahmeliste demnächst noch weitere Produkte. Vertragsdetails sind bisher nicht bekannt. Das gilt auch für viele der anderen Abkommen, die die USA in den vergangenen Wochen und Monaten geschlossen haben. Als regelbasierte Handelspolitik lässt sich dieses Vorgehen kaum bezeichnen. Es ist zu hoffen, dass die derzeit laufenden Untersuchungen zu Einfuhren von Pharmaprodukten nicht in produktspezifischen neuen Zöllen münden, denn diese würden Europa besonders treffen und den Wert der Einigung deutlich schmälern.
Der US-amerikanische Chiphersteller Intel hat die Pläne für eine Chip-Fabrik in Magdeburg endgültig aufgegeben. Dazu eine Einschätzung von Martin Gornig, Forschungsdirektor für Industriepolitik in der Abteilung Unternehmen und Märkte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin):
Die geplante Ansiedlung von Intel in Magdeburg wäre ein zentraler Baustein für den Aufbau eigener Halbleiterkapazitäten gewesen. Angesichts geopolitischer Spannungen und globaler Abhängigkeiten – etwa bei Mikrochips – wird die Versorgungssicherheit bei einer solchen, für viele Produkte entscheidenden, Komponente immer dringlicher. Investitionssubventionen, wie sie im Fall von Intel staatlicherseits geflossen wären, sind deshalb quasi eine Versicherungsprämie gegen zukünftige Krisen. Deutschland und die EU müssen nun umso entschlossener den Aufbau eigener Kompetenzen zur Chipproduktion vorantreiben – etwa über Initiativen im Rahmen der Important Projects of Common European Interest (IPCEI), wie sie bereits in Dresden erfolgreich umgesetzt wurden.
Vor der polnischen Ostseeküste wurden enorme Öl- und Gasvorkommen gefunden. Das Vorkommen wird aktuell auf 200 Millionen Barrel geschätzt. Über die energiepolitsche Bedeutung einer möglichen Förderung gibt Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) eine Einschätzung:
Die energiepolitische Bedeutung der Förderung fossiler Energien in Polen für Deutschland dürfte gering sein. Der Ölfund könnte theoretisch zur Versorgungssicherheit beitragen, da die Raffinerie Schwedt seit dem russischen Öl-Embargo nur zu etwa 50-60 Prozent ausgelastet ist und auf Alternativen angewiesen ist. Jedoch dürfte Polen das Öl primär für eigene Zwecke nutzen - die Förderung soll 4-5 Prozent des polnischen Ölbedarfs für mehrere Jahre decken. Die Raffinerie Schwedt ist bereits jetzt auf polnische Kooperation angewiesen, aber Polen blockiert teilweise Öllieferungen über Danzig und macht die Enteignung der Rosneft-Anteile zur Bedingung für eine erweiterte Zusammenarbeit. Der neue Fund könnte Polens Verhandlungsposition gegenüber Deutschland weiter stärken.
Die Förderung fossiler Energien könnte jedoch erhebliche negative Folgen auf andere Bereiche haben wie beispielsweise auf den Tourismus, da rund eine Million Touristen jährlich Usedom besuchen und die Bohrplattformen vom deutschen Teil der Insel sichtbar wäre. Auch besteht potentiell eine erhebliche Umweltgefährdung durch das Risiko von Havarien. Bei Unfällen könnte es zu grenzüberschreitenden Verschmutzungen kommen, da deutsche Gewässer direkt betroffen wären. Zudem konterkariert die Förderung fossiler Energien die Klimaschutzziele. Daher stehen Kosten und Nutzen in keinem Verhältnis. Von der Förderung ist eher abzuraten.