Russia has so far issued almost 200,000 Russian passports to Ukrainians from the “People’s Republics” of Donetsk and Luhansk. This undermines the Minsk peace process. The passportisation of the Donbas is part of a tried and tested set of foreign policy instruments. Russia is deliberately making it more difficult to resolve territorial conflicts in the post-Soviet space by creating controlled instability. This demonstrative intervention in state sovereignty exerts pressure on the Ukrainian central government in Kyiv. Domestically, Russia’s goal is to counteract its own natural population decline through immigration. Because of the war in eastern Ukraine, more and more Ukrainians have migrated to Russia; this was one of the reasons behind Russia revising its migration strategy in 2018. The liberalisation of citizenship legislation was aimed particularly at Ukraine. By delaying any resolution to the conflict, Russia achieves two objectives simultaneously: it retains permanent influence on Ukraine via the Donbas, and it becomes more attractive to many Ukrainians as a destination for emigration.
Wenn es nach den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) geht, wird es ab 2023 eine »CO2-Grenzsteuer« auf Importe in die Union geben; eine solche Abgabe würde sich nach dem CO2-Wert richten, der bei der Produktion der eingeführten Güter anfällt. Beim jüngsten Gipfel haben sie entschieden, damit den EU-Haushalt aufzubessern. Ein eigentlich klimapolitisch gedachtes Instrument bekommt so eine fiskalpolitische Stoßrichtung.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bereits 2019 angekündigt, im Rahmen ihres europäischen Green Deal eine »Carbon Border Tax« einführen zu wollen. Im Frühjahr 2020 startete die Kommission einen Roadmap-Prozess mit dem Ziel, bis 2021 konkrete Gesetzesvorlagen auszuarbeiten. Mit diesem Vorschlag reagierte die Kommission auch auf die Befürchtung, dass die durch den EU-Emissionshandel (EU ETS) vergleichsweise erhöhten europäischen CO2-Kosten Unternehmen zum Abwandern bewegen könnten, so dass es zur Emissionsverlagerung (»Carbon Leakage«) kommt. Das europäische Ziel, Emissionen zu senken, greift so zwar in der EU, aber nicht global. Die Union begegnet dem Risiko der Abwanderung bisher, indem sie gefährdeten Sektoren kostenlos Emissionsrechte zuteilt. Eine CO2-Grenzabgabe könnte eine Alternative sein, die auch globale Wirkung entfaltet.
Nach langjährigem Widerstand vieler Staaten und Unternehmensverbände gegen das Instrument hatte es in jüngerer Zeit zunehmend Unterstützung erfahren. Dazu trägt das EU-Klimaziel für 2030 bei, das im Herbst erhöht werden soll und weitere CO2-Kosten für die EU-Wirtschaft nach sich ziehen wird. Zudem sehen viele die CO2-Abgabe auf ausländische Produkte – nicht nur wegen der erwarteten Wirksamkeit gegen Carbon Leakage – als deutliches Zeichen für die Umsetzung des Pariser Abkommens, allen voran gegenüber den USA und China. Bei der Ausgestaltung des Instrumentes kommt es nun darauf an, WTO-Regeln gerecht zu werden und wichtige Handelspartner zur Kooperation zu bewegen.
Ausgestaltung entlang der WTO-RegelnDie Kommission schlägt drei Möglichkeiten vor, wie ein CO2-Grenzausgleichssystem umgesetzt werden könnte: mit einer CO2-Steuer, einem Zoll oder mit einer Zertifikatepflicht für ausländische Unternehmen. Aus handelsrechtlicher Sicht könnten alle Optionen im Einklang mit WTO-Regeln ausgestaltet werden. Diese geben das Prinzip der Nichtdiskriminierung vor, daher darf eine Grenzabgabe weder zwischen gleichartigen Produkten noch zwischen WTO-Mitgliedstaaten unterscheiden. Sollte es notwendig sein, dagegen zu verstoßen, zum Beispiel weil EU-Handelspartner oder einzelne Unternehmen nachweislich selbst für weniger Emissionen sorgen, wären die Vorgaben für Ausnahmefälle einzuhalten.
Eine EU-weite CO2-»Produktsteuer« bzw. deren Einführung durch die EU-Mitgliedstaaten wäre der aus handelsrechtlicher Sicht beste Weg. Dazu müsste die EU zunächst einmal eine CO2-Steuer auf in der Europäischen Union hergestellte Güter erheben, sodann wäre es unproblematisch, diese Steuer auch auf Importe anzuwenden – die Mehrwertsteuer ist ein vergleichbares Beispiel. Gleichartige Importwaren würden damit WTO-konform genauso behandelt wie die inländisch erzeugten Produkte. Eine Anwendung des Emissionshandels auf Industrieimporte wäre komplexer. Hier käme der Kommission die Aufgabe zu darzulegen, dass der CO2-Zertifikatepreis letztlich einer »Produktsteuer« handelsrechtlich gleichzusetzen ist. Gelingt dies nicht, könnte die Kommission geltend machen, dass sie den Schutz einer globalen Ressource bezweckt, also die Vermeidung von Carbon Leakage das zentrale Ziel der EU-Gesetzgebung ist. Denn der »Schutz einer globalen Ressource«, wozu die Erdatmosphäre zählt, ist als Begründung für Verstöße gegen WTO-Prinzipien erlaubt, wenn auch unter Auflagen. Eine solche Ausnahmebegründung bräuchte es auch für einen neuen CO2-Zoll.
Die Staats- und Regierungschefs haben mit ihrer Absicht, die CO2-Grenzabgabe als Haushaltsinstrument einzuführen, nun allerdings das Risiko erhöht, dass WTO-Schiedsgerichte im Falle einer Anfechtung durch Handelspartner das neue Instrument nicht klimapolitisch, sondern als Mittel zur Erzielung von Einnahmen auffassen. Der klimapolitische Zweck, auf den in Entscheidungen über Ausnahmen von den WTO-Prinzipien geachtet würde, rückt in den Hintergrund.
Diplomatischen Aufwand nicht unterschätzenEin CO2-Grenzausgleichssystem, das aufgrund vieler offener Details bereits jetzt hohen Erklärungsbedarf hat, kann nur dann die internationale klimapolitische Zusammenarbeit fördern, wenn frühzeitig Handelspartner informiert und regelmäßig einbezogen werden. Hierfür sollte die EU Foren der WTO und des Klimaregimes sowie weiterer internationaler Organisationen nutzen. Die Europäische Kommission hat 2012 schmerzlich erfahren, zu welchen Verwerfungen ein Alleingang führen kann. Damals wollte sie das EU ETS auch für den internationalen Flugverkehr einführen. Viele große Staaten setzten die EU massiv mit Sanktionsandrohungen unter Druck, woraufhin die EU zurückruderte und schließlich nur für den Flugverkehr im Europäischen Wirtschaftsraum Zertifikate verlangte.
Vertrauen kann nur entstehen, wenn die EU sich an multilaterale klima- und handelspolitische Absprachen hält, also das Pariser Klimaabkommen und die angeschlagene WTO stützt, und dies immer wieder deutlich zum Ausdruck bringt. Diese Aufgabe ist wohl nach dem Gipfelbeschluss ungleich schwerer geworden. Denn eine Grenzabgabe aus fiskalischen Gründen lässt sich diesen multilateralen Anliegen nicht überzeugend zuordnen. Zumal ja die Einnahmen nicht einer Förderung des Klimaschutzes beispielsweise in ärmeren Ländern zugutekämen, sondern den Kassen der EU. Sollte eine CO2-Abgabe gezielt Güter der Zement-, Stahl- oder anderer energieintensiver Branchen erfassen, wie es bereits diskutiert wird, wären vor allem Erzeuger aus Schwellen- und Industrieländern betroffen. Insbesondere mit diesen Staaten sollte die Union zügig Gespräche aufnehmen. Eine gute Gelegenheit hierzu bietet sich bei den Finanzministerkonsultationen unter der G20 in Saudi-Arabien gegen Ende des Jahres. Zudem sollte die EU im Dialog mit Washington wenigstens den Versuch unternehmen, ihr Vorgehen nicht als neuen Zündstoff im schwelenden Zollstreit erscheinen zu lassen. Letztlich wird der klimapolitische Erfolg einer CO2-Grenzabgabe davon abhängen, wie diese Länder darauf reagieren.
Dealing with China is not only about finding answers to urgent problems in politics, business, or technology. Rather, a system of European China competence must be established that ensures long-term capacity for action. It is crucial to locate this task at the nexus of foreign and education policy. The development of China competence through education should therefore be part of Europe’s China strategy.
Die Europäische Union hat Handlungsfähigkeit bewiesen – nach episch langen, harten und zum Teil quälenden Verhandlungen haben die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedstaaten am 21. Juli 2020 einen Kompromiss gefunden. Mit seiner Verständigung auf einen neuen mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für die nächsten sieben Jahre und einen auf vier Jahre befristeten europäischen Konjunkturhaushalt unter der Überschrift »Next Generation EU« (NGEU) hat der Europäische Rat ein immenses Finanzpaket mit einem Umfang von insgesamt 1,8 Billionen Euro geschnürt.
Diese Einigung beinhaltet einige fundamentale Neuerungen: die Möglichkeit der EU, zur Finanzierung des Konjunkturhaushalts nun selbst Kredite in bisher nicht gekanntem Umfang an den Finanzmärkten aufzunehmen, und die Einführung neuer Finanzierungsquellen für den EU-Haushalt. Weitgehende Maßnahmen also, die vor der Pandemie-Krise undenkbar erschienen und kaum durchsetzbar waren. Ob sie aber als großer Schritte hin zu einer vertieften Integration zu werten sind, wird sich erst noch erweisen müssen. Denn der erzielte Kompromiss ist nur ein Auftakt, dem bis Ende des Jahres eine Reihe weitere Schritte folgen muss, damit er zu einem wirklichen europäischen Erfolg werden kann.
Zunächst muss der politische Konsens des Europäischen Rates in konkrete Gesetzestexte gegossen werden. Auch hier sind harte Verhandlungen zwischen den beiden europäischen Gesetzgebern, dem Ministerrat der Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament, zu erwarten. Dann müssen alle nationalen Parlamente den weitreichenden Neuerungen bei der Finanzierung des europäischen Budgets zustimmen. Schließlich müssen die neuen Regelungen in angewandte Politik umgesetzt und mit Leben gefüllt werden. Dies ist eine gewaltige Aufgabe für den deutschen Vorsitz im Ministerrat, denn alle Elemente des Pakets sollen bis zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. Zudem ist jeder Schritt mit einem hohen Risiko des Scheiterns oder der Blockade verbunden.
Nationale Parlamente müssen die Integrationsschritte legitimierenDie Zustimmung der nationalen Parlamente zu der erstmaligen Verschuldung der EU in Höhe von 750 Mrd. Euro und den neuen Finanzierungsquellen ist nicht nur ein zeitliches Problem, sondern auch ein politisches, denn die Größe des Schritts zu einer enger zusammenwachsenden Union ist unübersehbar; seine Legitimation erfordert breite parlamentarische Debatten. Doch für eine sorgfältige Abwägung der Integrationsschritte und ihrer Folgen bleibt unter dem Druck der Covid-19-Krise und der unbedingt erforderlichen schnellen europäischen Reaktion kaum ausreichend Zeit.
Nicht leichter dürfte es werden, die gefundenen Kompromisse des Gipfels in konkrete Programme umzusetzen. So müssen die Mitgliedstaaten sogenannte Aufbau- und Resilienzpläne mit ihren Reform- und Investitionsvorhaben erarbeiten, um europäische Fördermittel aus dem neuen Aufbaufonds abrufen zu können. Diese Pläne müssen sie der Europäischen Kommission zur Prüfung und Billigung vorlegen. Dabei sollen sie die sogenannten länderspezifischen wirtschaftspolitischen Reformempfehlungen sowie die Klimaschutz- und die Digitalisierungsziele der EU beachten. Sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Europäische Kommission müssen also sehr schnell konkrete Ideen entwickeln, wofür das Geld sinnvoll verwendet werden soll. Denn die Fördergelder sollen erst fließen, wenn die Mitgliedstaaten die zugesagten Reformanstrengungen wirklich aufgenommen und die vereinbarten Etappenziele tatsächlich erreicht haben. Dies macht die genaue Prüfung und ein kontinuierliches Monitoring der nationalen Umsetzung erforderlich. Dass es den Mitgliedstaaten ernst damit ist, dass das Geld nur im Gegenzug für nachhaltige Strukturreformen und Investitionen fließt, haben die sehr harten Debatten im Europäischen Rat gezeigt.
Zeitdruck gefährdet Zielgenauigkeit der FörderungEs ist eine kaum zu lösende Aufgabe, die nationalen Pläne in der Kürze der Zeit zu erstellen und zu bewerten sowie neue Formen des Monitorings aufzubauen. Wissenschaftliche Gutachten oder die Begleitung weitreichender nationaler Strukturreformen durch Kommissionen, wie sie zum Beispiel in Deutschland zum Braunkohleausstieg erfolgte, sind in wenigen Monaten kaum vorstellbar. Trotz des hohen Drucks, schnell und wirkungsvoll auf die Folgen der Pandemie zu reagieren, müssen Nachhaltigkeit und Zielgenauigkeit der Maßnahmen mit einer sorgfältigen Bewertung der Programme und der einzelnen Maßnahmen verbunden werden. Nur so kann das in den Verhandlungen des Europäischen Rats sichtbar gewordene Misstrauen zwischen den Mitgliedstaaten überwunden werden.
Ein hohes Tempo bei der Umsetzung der vom Europäischen Rat vorgezeichneten Schritte ist zweifelsohne nötig. Für diese Dynamik bei den Verhandlungen über die konkreten Rechtsgrundlagen kann die deutsche Ratspräsidentschaft sorgen. Um jedoch den Kompromiss des Europäischen Rats zu einem wirklichen und langfristigen Integrationserfolg zu machen, müssen das gegenseitige Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten wieder wachsen und die Unionsbürgerinnen und -bürger diesen Integrationsschritten zustimmen. Das sind große Aufgaben, die gegenseitiges Verständnis, Toleranz und auch Zeit erfordern. Ob die Quadratur des Kreises gelingen kann, bleibt abzuwarten. Immerhin hat der EU-Gipfel die Diskussion über die Weiterentwicklung der EU angestoßen.
Das Eis im Nordpolarmeer schmilzt, wodurch die arktischen Seewege zunehmend schiffbar werden. Die Nordostpassage ist schon heute für längere Zeiträume im Sommer befahrbar, während die Nordwestpassage wohl in den 2030er Jahren, die Transpolare Route wiederum frühestens ab den 2040er Jahren für die Schifffahrt häufiger – und damit kommerziell – nutzbar, da »eisfrei« sein wird.
Neben den Klimaveränderungen wirken auch Ressourcennutzung und Großmachtkonkurrenz – jeweils unterschiedlich in Art, Ausmaß und Folgen – als Treiber für einen Wandel in der Arktis.
Die Erwärmung der Arktis ermöglicht es, bislang unzugängliche Lagerstätten von Rohstoffen zu nutzen, und eisfreie Seewege erleichtern deren Transport. Doch geht es dabei um kostenträchtige, riskante und langwierige Projekte, zumal bei der Öl- und Gasförderung auf See (offshore).
Die USA haben die Arktis als geopolitische »Arena« im Kampf um Macht und Einfluss identifiziert. Russland will über die Nördliche Seeroute maßgeblich seine Rolle als Energiegroßmacht bewahren.
Als neuer Akteur kann China in der Arktis an sein Seidenstraßen-Projekt anknüpfen, Transportwege diversifizieren und die eigene Versorgungssicherheit erhöhen. Im Konfliktfall lassen sich Versorgungsrouten militärisch nutzen, weshalb das Nordpolarmeer auch für Peking strategisch zunehmend wichtig ist.
Neben den negativen Auswirkungen des Klimawandels ist eine Verschlechterung der sicherheitspolitischen Lage im Norden festzustellen. Die widerstreitenden Ambitionen Chinas, Russlands und der USA machen einen Dialog über militärische Sicherheitsfragen nötig.
The confrontation between Indian and Chinese troops in the Himalayas, which has been ongoing since the beginning of May, has escalated into the most serious crisis in relations between the two countries in 45 years. On 15 June, for the first time since 1975, 20 Indian and an unknown number of Chinese soldiers were killed in an incident. The current crisis, unlike previous ones, has wider territorial and political dimensions. It shakes the previous border regime and strains the relationship of trust that was laboriously built up between Prime Minister Narendra Modi and President Xi Jinping. The confrontation is also a test of India’s strategic autonomy. This cornerstone of Indian foreign policy also includes the claim to an independent role in the geostrategic tensions between China and the United States in the Indo-Pacific.
Syria’s civil war has long since been decided in favour of the regime. There is no prospect of a negotiated settlement, reconciliation or lasting stabilisation.
Syria faces enormous challenges, well beyond the rebuilding of infrastructure and housing. It will also need assistance to restart its economy, stabilise its currency and renew its public services, in particular education, health, electricity and water.
The funds required for comprehensive reconstruction are extremely unlikely to become available, given the attitude of the Syrian leadership, the economic ramifications of the Covid-19 pandemic, and the geopolitical interests of regional and global powers. Nor are resources likely to be deployed in line with the needs of the population.
The EU and its member states have made engagement in Syria’s reconstruction conditional on viable steps towards a negotiated conflict settlement and a political opening. They should adapt their approach to align better with the current realities and challenges on the ground.
That means in particular targeting humanitarian aid more effectively, dismantling certain sectoral sanctions and supporting the rehabilitation of basic infrastructure – even in areas controlled by the Syrian government. This would represent a more effective contribution to improving living conditions and avoiding further erosion of public services.
Lasting stabilisation will require fundamental reforms. In this vein, Brussels should spell out its “more for more” approach.
Europe should refrain from normalising relations with the top leaders of the Assad regime and instead step up its support for prosecution of war crimes, grave human rights violations and the use of internationally banned weapons.
Herr Overhaus, Sie haben die Expertengruppe USA – »Jenseits der Wahlen – Langfristige Trends in der US-amerikanischen Innen- und Außenpolitik« ins Leben gerufen. Warum braucht es diese Expertengruppe?
Marco Overhaus: Die Motivation bestand darin, einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen und politischen Debatte zu leisten, wie wir in Zukunft mit den USA umgehen. Gegenwärtig werden häufig einzelne Personen und hier insbesondere der US-Präsident Donald Trump sowie aktuelle Ereignisse wie die Proteste nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd betrachtet. In der Expertengruppen widmen wir uns den langfristigen und strukturellen Trends dahinter, um Schlüsse für die Zukunft der transatlantischen Beziehungen zu ziehen.
Wie haben Sie die strukturellen und längerfristigen Trends ermittelt?
Marco Overhaus: Zunächst haben wir in der Expertengruppe im Rahmen eines Brainstormings Entwicklungen gesammelt, die wir als wichtig erachten. Anschließend haben wir anhand der beiden Kriterien Wahrscheinlichkeit und Wirkung entschieden, welche der insgesamt fünfzig Ergebnisse wir weiterverfolgen. Also: Wie wahrscheinlich ist es, dass das, was wir untersuchen wollen, die Innen- und Außenpolitik der USA auch in Zukunft prägen wird? Und wie gravierend könnten sich diese Faktoren und Trends auswirken? Am Ende haben wir sieben Trends bestimmt.
Christian Lammert: Wir haben die Trends nach festen Regeln bewertet, unabhängig von unseren eigenen Forschungsschwerpunkten. Da kam es zu einigen Überraschungen.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Marco Overhaus: Wir haben zum Beispiel das Thema Klima als besonders wichtig eingestuft, obwohl niemand aus der Gruppe Klimaexperte ist. Um diesen Bedarf zu decken, haben wir dann aber mit Susanne Dröge eine SWP-Expertin für Klimapolitik gewinnen können.
Welche Trends halten Sie darüber hinaus für besonders relevant – sowohl in der Innen- als auch in der Außenpolitik der USA?
Marco Overhaus: Wir haben vier Trends definiert, die in den Bereich Innenpolitik fallen. Dazu gehören die Entwicklung der Medienlandschaft, gesellschaftliche und politische Polarisierung, Zunahme gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ungleichheit sowie die strukturellen Veränderungen in der Wirtschaft hin zu einer Digitalwirtschaft in den USA. Im Bereich der Außenpolitik haben wir uns für die wachsende Rivalität der USA mit China und die Zunahme internationaler Konflikte als Herausforderung für die USA entschieden.
Christian Lammert: Es hat sich schnell gezeigt, dass wir beide Perspektiven immer zusammendenken müssen. Denn die Trennlinie zwischen Außen- und Innenpolitik wird immer poröser. Die Handelspolitik hat Konsequenzen für den Arbeitsmarkt – auch in den USA. Und es ergibt keinen Sinn, Klimapolitik nur innenpolitisch zu betrachten, weil es ein globales Problem ist. Ebenso sind die Veränderungen in der Wirtschaft nicht rein innenpolitisch zu verstehen. Es geht dabei auch um den Einfluss globalisierter Finanzmärkte.
Der gewaltsame Tod von George Floyd hat in den USA eine heftige Debatte über strukturellen Rassismus aufgeworfen. Welche Rolle spielt das in der Arbeit der Expertengruppe?
Christian Lammert: Wir haben gesehen, dass sich Polizeigewalt, struktureller Rassismus und jetzt die Black-Lives-Matter-Bewegung in vielen Schwerpunkten wiederfinden, vor allem in den innenpolitischen. Der politische Diskurs über die Legitimität des Protestes ist in den USA sehr polarisiert. Aus sozioökonomischer Perspektive sind Afroamerikaner und Hispanics immer noch benachteiligt. Die Unzufriedenheit darüber zeigt dieser Protest nun auch.
Wie wirkt sich die Corona-Krise auf diese Trends aus?
Christian Lammert: Die Corona-Krise führt dazu, dass sich einige Trends verschärfen oder neue Dimensionen sichtbar werden. Das wird am Beispiel Rassismus auf ganz dramatische Weise deutlich. Afroamerikaner sind überproportional von den Folgen der Pandemie betroffen. Das hängt neben dem mangelnden Zugang zum Gesundheitssystem auch mit ihrer schlechteren Situation auf dem Arbeitsmarkt zusammen. Diese Bevölkerungsgruppe ist deutlich häufiger in Berufen beschäftigt, in denen man sich leichter infizieren kann, darunter Pflege und Einzelhandel.
Marco Overhaus: Die Corona-Krise könnte auf längere Sicht auch zu einer Ressourcenverknappung in der amerikanischen Außenpolitik führen. Prognosen gehen davon aus, dass die USA im Jahr 2021 eine Schuldenlast von weit mehr als 100 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt haben werden. 2019, vor Corona, waren es noch 80 Prozent – auch dies schon ein beachtlicher Wert.
Welche Folgen hat das für die US-Außenpolitik?
Marco Overhaus: Die Kluft zwischen den außenpolitischen Ambitionen, international präsent zu sein und in allen Weltregionen Einfluss zu nehmen, und den innenpolitischen Möglichkeiten, diesen Ambitionen gerecht zu werden, ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Und die Corona-Krise wird das verschärfen. Wenn die Arbeitslosigkeit steigt und die wirtschaftliche Ungleichheit in den USA weiter wächst, kann man davon ausgehen, dass auch die gesellschaftliche Unterstützung für außenpolitische Kosten abnehmen wird. Langfristig wird sich das auch auf die amerikanische Politik in ihren Allianzen, wie der NATO, auswirken.
Wie würden sich die transatlantischen Beziehungen unter einem Präsidenten Joe Biden entwickeln?
Marco Overhaus: Alle Trends, die wir identifiziert haben, würden auch eine Präsidentschaft von Joe Biden beeinflussen. Auch er müsste mit einem hochgradig polarisierten US-Kongress umgehen, der seinen Handlungsspielraum einschränkt. Ein anderes Beispiel ist China. In den vergangenen fünf bis zehn Jahren hat sich der Anti-China-Konsens in den USA stark verfestigt. Wir können nicht davon ausgehen, dass die USA unter Joe Biden eine Chinapolitik fahren, die deutschen Idealvorstellungen entspricht. Da sollten wir mehr Realismus an den Tag legen und nicht wie bei Obama hochfliegende Hoffnungen in einen neuen Präsidenten setzen.
Christian Lammert: Gerade deshalb ist die Trendanalyse so wichtig: weil sie über die jeweilige US-Administration hinausreicht. Sicherlich wäre es einfacher, mit einem Präsidenten Joe Biden zu reden, aber an den grundsätzlichen Problemen würde ein Wechsel im Weißen Haus nichts ändern.
Das Interview führte Cetin Demirci von der Online-Redaktion der SWP.
On 10 July, Turkish President Tayyip Erdoğan issued a decree reconverting the Hagia Sophia Museum to a mosque, thus realizing a long-cherished dream of conservative currents in Turkish society. Originally built as a cathedral by the Romans, the Hagia Sophia functioned as Istanbul’s main mosque of throughout the Ottoman era. Its conversion into a museum in 1934 was one of a series of moves intended to distance Kemal Atatürk’s new secular republic from the Islamic heritage of the defunct Ottoman Empire – and became a totem of conservative resentment towards the Kemalist regime. Reconversion should therefore be considered a significant symbolic achievement for the conservative side and a settling of scores with the early republican period. Erdoğan is also seeking political gain by treating this issue as an identity battle between conservatives and secularists.
A Tactical Move?According to a poll conducted in June, a majority of the Turkish population regards the Hagia Sophia controversy as an attempt by the government to divert attention from economic problems and reverse its declining support. Only 30 percent said they felt it was really just about a change of use from museum to mosque. This means that even among supporters of the ruling Justice and Development Party (AKP) and its ultranationalist junior partner, the Nationalist Movement Party (MHP), significant numbers consider the move to be more tactical than ideological – even if they ultimately agree with the outcome.
Erdoğan’s earlier statements also suggest that this is a tactical move. During local election campaigning in 2019, he responded angrily to a crowd that raised the topic of Hagia Sophia, pointing out that the adjacent Sultan Ahmad Mosque (Blue Mosque) is almost always empty during prayer times. He told his audience that he would consider reconverting the Hagia Sophia if they first filled the Sultan Ahmed Mosque. Given that this was consistent with previous remarks and little has changed since the exchange, political expediency now seems to have outweighed religious or ideological considerations. Erdoğan expects reconversion to produce three political benefits.
Erdoğan’s Political ExpectationsThe first benefit is to energize the more conservative segments of his power base by meeting one of their longstanding symbolic demands, in particular in light of the emergence of two splinter parties from the AKP with potential to appeal to this electorate. The prominence of the controversy suggests he has succeeded in this. The second benefit would be to distract the public from the country’s serious socioeconomic problems. Where the unemployment rate – including those who have given up seeking work – has reached 24.6 percent, the government would like to talk about anything but the economy. Here, Erdoğan has gained relief, but probably not to the extent he hoped.
The third and most important benefit would be to establish yet another identity battle between conservatives and secularists. This is the arena where Erdoğan feels most secure, and the Hagia Sophia issue appeared ideally suited for the AKP’s identity wars. Its symbolism is multi-layered. First of all, a fight over mosque versus museum slots easily into a religion/modernity binary. It can also be used to create an Islam/Christianity binary as Hagia Sophia was originally built as a church and functioned as such for nine centuries until the Ottoman conquest of Istanbul. Secondly, it awakens historical allusions and underlines the real or perceived dichotomy between the Ottoman Empire and the Republic. Reversing a decision taken by Atatürk also inflames existing debates over the early republican reforms. Finally, the move is also expected to provoke adverse international reactions, thus offering a perfect opportunity for Erdoğan to breathe new life into his narrative of Turkey encircled by enemies, with Western powers subverting its sovereignty.
Domestically Erdoğan would expect the reconversion to provoke uproar among secularist circles and lead the secularist People’s Republican Party (CHP) in particular to condemn the decision and mobilize public opposition. This would create another opportunity for him to stir the “culture wars”. In fact, however, the CHP and most of the other opposition parties avoided this ploy and either supported the reconversion or remained neutral. This approach is in line with the new strategy of CHP leader Kemal Kılıçdaroğlu, who has been careful to avoid such traps in recent years. While he has received much criticism from his party base – especially the secularist intelligentsia – for his calculated lack of interest in cultural conflicts, Kılıçdaroğlu seems to have been successful in preventing Erdoğan from picking his fights.
In light of the lack of domestic push-back, Erdoğan will focus on international condemnation to fan the flames of identity conflicts, presenting these reactions as interference in Turkey’s internal affairs – if not outright Islamophobia. Given that certain European countries have their own problems with accommodating Muslim places of worship, European criticisms can easily be framed as hypocritical and anti-Islamic. In that sense, Hagia Sophia is the perfect fight for Erdoğan: it is symbolic, emotionally charged, politically polarizing, and consolidates political camps. And all this is achieved with scant real-life consequences. European policymakers should follow the example set by the opposition parties in Turkey and deny Erdoğan the trivial rhetorical fights he clearly seeks.
This text has also been published at fairobserver.com.
With the 2030 Agenda for Sustainable Development and its guiding principle, “Leave no one behind”, the international community has set itself the goal of improving the living conditions of poor and marginalised groups. In many cases, these groups include refugees and migrants. However, they are hardly taken into account in the Sustainable Development Goals (SDGs), which are decisive for the implementation of the 2030 Agenda. As a result, there is a growing danger that existing disadvantages will become more permanent or more pronounced. Five years after the adoption of the SDGs, the balance sheet is sobering: Disaggregated data is necessary to be able to understand and monitor changes in the living conditions of migrant population groups, but these data are still lacking in most countries. In line with its overarching commitment to the implementation of the SDGs, the German government should work to ensure that migrants and refugees are systematically taken into account in the follow-up and review of the 2030 Agenda.
Der Green Deal, den die Europäische Kommission 2019 auf den Weg gebracht hat, erfordert eine Neuausrichtung der Energiediplomatie der Europäischen Union (EU). Allerdings sollte die Energiediplomatie nicht auf die Außenkommunikation des Green Deal reduziert werden. Vielmehr wird sie sich mit den tiefgreifenden und vielfältigen geoökonomischen und geopolitischen Veränderungen auseinandersetzen müssen, die die Energiewende mit sich bringt. Deswegen sollte der Aktionsplan der EU-Energiediplomatie von 2015 angepasst werden. Wenn die EU dabei neue Prioritäten setzt, wird sie ein realistisches Gleichgewicht zwischen ihren globalen Bestrebungen und ihren begrenzten finanziellen Mitteln finden müssen. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft sollte ihre Bemühungen um eine Aufwertung der EU-Energiediplomatie in drei Richtungen intensivieren. Erstens: die bestehenden Prioritäten entsprechend den neuartigen Herausforderungen überprüfen. Zweitens: den geographischen Aktionsradius über die direkte Nachbarschaft hinaus erweitern auf 12 Ankerpartner entlang der afro-euro-asiatischen Ellipse, denen besondere Aufmerksamkeit zukommen sollte. Drittens: das energie-außenpolitische Instrumentarium passend zu fünf neuen Aktionsbereichen nachjustieren, wobei ein realistischer und auf das jeweilige Land zugeschnittener Ansatz einem normativ-ideologischen vorzuziehen ist.
Der Regierungswechsel in Usbekistan stellt einen Präzedenzfall im postsowjetischen Raum dar. Präsident Mirziyoyev, ein Regime-Insider, hat einen Kurswechsel initiiert und gleichzeitig eine Destabilisierung vermieden. Das von Mirziyoyev vertretene Reformprogramm zielt auf eine Liberalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, lässt das politische System jedoch weitgehend unangetastet.
Die Reformen, deren Umsetzung wie früher zentral gesteuert und beaufsichtigt wird, verlangen den Usbekinnen und Usbeken schmerzhafte Anpassungen ab. Sie werden aber akzeptiert, weil sich damit konkrete Hoffnungen auf eine bessere Zukunft verbinden. Zudem schaffen vor allem die wirtschaftlichen Reformmaßnahmen in einem Tempo Fakten, dass kaum Raum für Alternativen bleibt.
Obwohl Usbekistan wichtige Signale auch für eine politische Liberalisierung gesetzt hat, ist es nach wie vor ein autoritärer Staat mit einem Präsidialsystem, dessen institutionelle Grundlagen nicht zur Disposition stehen. Aus diesem Grund läuft die Transformation perspektivisch weniger auf Demokratisierung zu als vielmehr auf einen »aufgeklärten Autoritarismus«, der von einer Allianz neuer und alter Eliten getragen wird.
Dennoch gibt es für Deutschland und Europa gute Gründe, den Reformkurs zu unterstützen. Der Schwerpunkt sollte dabei auf jenen Handlungsfeldern liegen, die für die Entwicklung hin zu einer offenen Gesellschaft von besonderer Relevanz sind: Förderung von politischem Wettbewerb, Ermutigung zu offener Debatte und unabhängigem gesellschaftlichem Engagement und Ermöglichung echter Teilhabe.
Im Juni 2020 sagte die saudi-arabische Regierung die jährliche »große Pilgerfahrt« (»Hajj«) nach Mekka für alle aus dem Ausland anreisenden Gläubigen ab. Schon Ende Februar hatte sie die »Umra« genannte »kleine Pilgerfahrt« ausgesetzt. Damit hat die Corona-Krise bewirkt, dass neben den Einkünften aus dem Ölexport auch die zweitwichtigste Einnahmequelle der saudi-arabischen Regierung schwer getroffen ist, auf die sie selbst in Krisenzeiten meist bauen konnte. Das Jahr 2020 dürfte zum Epochenjahr der Geschichte Saudi-Arabiens werden, denn der zeitweilige dramatische Verfall der für seine Wirtschaft so wichtigen Erdölpreise seit Frühjahr reduzierte die Staatseinnahmen so drastisch, dass das Königreich zu Steuererhöhungen und Sparmaßnahmen griff, um die Krise abzufedern. Trotzdem setzt Kronprinz Muhammad Bin Salman auf Kontinuität, indem er sein immens teures wirtschaftliches Reformprogramm »Vision 2030« fortführt, seine aggressive antiiranische Regionalpolitik weiterverfolgt – bisher einschließlich des Krieges im Jemen – und unvermindert moderne Waffensysteme für die saudischen Streitkräfte kaufen lässt. Diese Politik wird das Königreich rasch an die Grenzen seiner finanziellen Belastbarkeit bringen und dazu zwingen, Prioritäten zu setzen.
Die seit Anfang Mai andauernde Konfrontation zwischen indischen und chinesischen Truppen im Himalaya hat sich zur schwersten Krise in den Beziehungen beider Staaten seit 45 Jahren zugespitzt. Am 15. Juni wurden erstmals seit 1975 bei einem Zwischenfall 20 indische und eine unbekannte Zahl chinesischer Soldaten getötet. Die gegenwärtige Krise hat im Unterschied zu früheren weiter reichende territoriale und politische Dimensionen. Sie erschüttert das bisherige Grenzregime und belastet das mühsam aufgebaute Vertrauensverhältnis zwischen Premierminister Modi und Präsident Xi. Die Konfrontation ist aber auch eine Belastungsprobe für Indiens strategische Autonomie. Dieser Grundpfeiler der indischen Außenpolitik beinhaltet auch den Anspruch auf eine eigenständige Rolle in den geostrategischen Auseinandersetzungen zwischen China und den USA im Indo-Pazifik.
Die Corona-Krise überschattet politische und sozialökonomische Entwicklungen im Kaukasus. Im Südkaukasus, der zum Raum der Östlichen Partnerschaft der Europäischen Union (EU) gehört, verläuft die Infektionsdynamik höchst unterschiedlich. Während Armenien zu einem Epizentrum der Pandemie im Kaukasus geworden ist, zählt Georgien weltweit zu den Ländern mit den geringsten Covid‑19-Infektions- und ‑Todesraten. Selbst wenn es für frühzeitige und konsequente Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionsausbreitung gelobt wird, sind die wirtschaftlichen Folgen auch für Georgien erheblich. Die Pandemie trifft im Südkaukasus auf Länder mit schwachen Sozial- und Wirtschaftssystemen, hoher Armut und Arbeitslosigkeit sowie einer großen »informellen Wirtschaft«. Sie zwingt die Regierungen zu anspruchsvollen Anti-Krisen-Plänen. In der Nachbarschaft des Südkaukasus liegt ein weiteres Epizentrum der Infektion: Russland. Dessen kaukasische Peripherie, der Nordkaukasus, stellt dabei eine besondere Problemregion dar.
Wie alle anderen europäischen Länder wurden auch die Visegrád-Staaten von der Covid-19-Pandemie erfasst. Anders als in Süd- und Teilen Westeuropas ließ sich hier aber eine explosionsartige Verbreitung des Virus verhindern. Mit diesem Erfolg im Rücken und den sozialökonomischen Konsequenzen der Pandemie vor Augen haben sich Polen, Tschechische Republik, Slowakei und Ungarn nun in der EU positioniert. Obwohl sie Differenzen hinsichtlich der Brüsseler Finanzpakete haben, werden sie durch die Krisenbewältigung nicht strategisch auseinanderdividiert. Für Deutschland wird es weiter von Bedeutung sein, die vier Länder europapolitisch einzubinden und überdies gemeinsam Wege zu finden, um das wirtschaftliche Fundament der Beziehungen zu sichern.
Auch die Beziehungen zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik wurden von der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus in Mitleidenschaft gezogen. Dominierendes Thema in den ersten Wochen der Pandemie war die Schließung der Grenzen durch die Tschechische Republik. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit wurde jäh unterbrochen, erst nach und nach konnten Lockerungen erreicht werden. Bald zeigte sich, dass die Corona-Krise auch ein bedeutendes Thema für die europapolitische Komponente des beiderseitigen Verhältnisses sein würde. In der Krise wurde auch sichtbar, dass die sicherheitspolitischen Verschiebungen der letzten Jahre und neue internationale Entwicklungen in das deutsch-tschechische Verhältnis hineinspielen. Beide Länder sollten daher ihre Kommunikationsinstrumente, insbesondere den Strategischen Dialog der Regierungen nutzen, überdies aber auch drängende Herausforderungen wie den Umbau zentraler Industrien gemeinsam reflektieren.